Was tun - und was nicht!

Die erste Faustregel lautet: Notizen machen. Aber immer erst NACH dem Gespräch.

Folgende Vorgehensweisen und Formulierungen können hilfreich sein:


  1. "Ich bin froh, dass du zu mir gekommen bist. Du bist so mutig. Ich verspreche, dir so gut es geht zu helfen." (loben, Mut machen)
  2. "Ich merke, dass es dir unangenehm ist, dich mir anzuvertrauen. Ich kann verstehen, dass es dir schwer fällt." (Verständnis zeigen)
  3. "Es ist in Ordnung, wenn du jetzt nicht mehr weitererzählen möchtest." (Nicht bedrängen, Grenzen achten)
  4. "Was ist dann passiert?" (offene Fragen stellen, keine Details erzwingen)
  5. "Ich kann dir nicht versprechen, dass ich dein Geheimnis für uns behalten kann. Manchmal muss man Hilfe holen, damit es besser wird. Es gibt Menschen, die sich mit solchen Problemen gut auskennen und schon vielen Kindern geholfen haben." (keine falschen Versprechungen machen)
  6. "Es war gut, dass du dich mir anvertraut hast. Ich werde alles mir Mögliche tun, um dir zu helfen. Bevor ich etwas unternehme, werden ich auf jeden Fall mit dir sprechen." (Wertschätzung und Beruhigung nach dem Gespräch)
  7. "Wie geht es dir jetzt damit? Was sind deine Befürchtungen?" (Ängste des Kindes ernst nehmen, für Schutz sorgen)
  8. Wir stemmen das gemeinsam. Ich bin für dich da. Du bist jetzt nicht mehr alleine damit." (Loyalität zeigen)


Folgende Formulierungen oder Verhaltensweisen sind dagegen NICHT hilfreich:

  1. Verurteilungen oder Beschimpfungen des/der Täter:in (eher: "So etwas darf niemand mit dir machen")
  2. Täter:in oder Familienangehörige konfrontieren (ganz wichtig!)
  3. Blinde Versprechungen ( z.B. "Das wird nicht noch einmal passieren." oder "Ich sorge dafür, dass das aufhört." oder "Du kannst mir vertrauen, ich erzähle es nicht weiter.")
  4. Die Geheimhaltung weiter fortsetzen. Hier kommt es zu einem Geheimhaltungssystem zwischen Täter:in-Kind-Helfer:in. Idealerweise wurde das Thema "Gute und schlechte Geheimnisse" im Unterricht bereits erarbeitet. Lehrer:innen können dann im Gespräch mit dem Kind an vorhandenes Wissen anknüpfen.
  5. Das Kind einfach umarmen oder auf den Schoß setzen und mitweinen. (In diesem Moment bist du ein:e professionelle Helfer:in. Es ist niemandem geholfen, wenn du Grenzen überschreitest oder emotional reagierst.)
  6. Das Kind überstürzt aus der Familie nehmen (z.B. mit zu dir nach Hause nehmen). Dies ist ein verständlicher Impuls aber vollkommen falsch und aus juristischer Sicht sogar strafbar. Ausnahme: Das Kind befindet sich in akuter Gefahr. In diesem Fall ist das Jugendamt oder die Polizei der richtige Ansprechpartner. Entscheide das niemals allein!


Nach dem Gespräch:

  1. Kind behutsam über die Meldepflicht informieren und über weitere mögliche Schritte sensibel aufklären (nicht unbedingt im ersten Gespräch)
  2. Kind immer informieren, wenn ein neuer Schritt unternommen wird - auch wenn dieser gegen seinen Willen eingeleitet wird
  3. Dafür sorgen, dass ein:e Helfer:in verfügbar ist für Notfälle
  4. Meldebogen ausfüllen (siehe download)
  5. Kinderschutzfachkraft/Fachberatungsstelle hinzuziehen
  6. Gegebenenfalls weitere Schritte einleiten (Meldung ans Jugendamt etc.)

Merke: Verdachtsfälle sind meldepflichtig! Keine Meldung bei Kindeswohlgefährdung abzugeben ist ein Pflichtversäumnis. Trotzdem mit Bedacht und Ruhe handeln. Anonyme Beratung ist jederzeit möglich.

Und: Falls der/die Täter:in aus dem Familienkreis stammt, ist es wichtig, keine Beschuldigten oder deren Angehörigen unbeabsichtigt zu informieren. Die Sicherheit des Kindes muss immer im Vordergrund aller Überlegungen stehen. 

Sage dir bei allen Schwierigkeiten:

Es ist immer gut, wenn ein Kind sich outet. Dieses Kind hat sich mir anvertraut, weil ich eine vertrauensvolle und positive Ausstrahlung habe. Es ist ein Geschenk und ein Kompliment. Geh behutsam damit um und lass das Thema auch bei Gegenwind nicht fallen! Es kommt auf jedes einzelne Kind an und du hast die Möglichkeit, in diesem Moment entscheidend zu helfen.